Mittwoch, 22. November 2006

Kinderfilme

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Kino par excellence: Villa Henriette

„Marie, willst du mit mir gehen?“ Die Zwölfjährige hat derzeit andere Sorgen, aber dann sagt sie zu Konrad doch ja. Einen Tag später hat sie einen zweiten Verehrer am Hals – den Nachbarsjungen Stefan, der ihr seine Katze verkauft. Zwar geht es in „Villa Henriette“ nur nebenbei ums Verlieben und Küssen, das aber ebenso konsequent wie filmreif und – Erziehungsberechtigte seien beruhigt – völlig dem Alter von Minderjährigen angemessen.

Die Nebenhandlung beweist, wie lebensnah und gleichzeitig leinwandgerecht die Geschichte vom Haus, das nicht verkauft werden darf, auf Zelluloid gebracht wurde. Der coolen Marie, die das alte Gemäuer so ins Herz geschlossen hat, dass sie es reden hört und mit ihm redet, stehen bei diesem Unterfangen allerlei Erwachsene im Wege. Eigentlich ist sie ganz auf sich allein gestellt – doch nein, Konrad und Stefan helfen ihr ja. Aber bei denen nervt, dass sie dauernd fordern, Marie solle sich für einen von ihnen entscheiden.

Der preisgekrönte Film nach dem gleichnamigen Kinderbuch der bekannten Christine Nöstlinger (auch in einer Nebenrolle im Film) hat lauter illustre Namen des deutschsprachigen Films vorzuweisen: Drehbuch Milan Dor („Malambo“, 1984 Großer Preis beim Filmfestival Mannheim), Regie Peter Payer („Untersuchung an Mädeln“, Publikumspreis 1999 in Mannheim), Nina Petri (die schon mit Tom Tykwer, Doris Dörrie und Sönke Wortmann drehte) als Maries Mutter, Cornelia Froboess als Oma. Nina Hagen leiht dem Haus ihre Stimme.

Trotz dieser Besetzung wäre „hochkarätig“ nur ein vordergründig angemessener Ausdruck, vielmehr ist der Film in vollem Umfang des Wortes GUT; eine Steigerung ist nämlich schwer vorstellbar. In erster Linie Kinderfilm, gibt „Villa Henriette“ Kino par excellence: lebensnah und voller Fantasie, klug und unterhaltsam. Trotzdem witzig und – kaum zu glauben, aber wahr – dann auch noch pädagogisch wertvoll! Bei alldem das Schönste: Für die Kinderrollen wurden Laien gecastet, und die spielen einfach toll, allen voran Hannah Tiefengraber als Marie. Im Kinoverleih war der Film schon letztes Jahr, da hilft dann wohl nur noch, die DVD zu kaufen.



Schlimmer als die Väter erlauben: Mein Name ist Eugen

Endlich mal ein Kinderfilm, in dem nicht ein nettes Mädchen, sondern vier freche Buben die ungekrönten Könige sind. Eigentlich sind sie aber mehr auf der Suche nach Fritzli, dem legendären Berner König der Lausbuben, der jetzt in Zürich wohnt. Eugen, Wrigley, Eduard und Bäschteli schwören einander, „ein einig Volk von Bengeln“ zu sein, „schlimmer als die Väter erlauben“.

Ihre hanebüchenen Streiche bzw. deren Folgen zwingen sie auf die Flucht, erst in den Keller, dann über die ungeplante Zwischenstation des Pfadfinderlagers (schweizerisch Pfadilager) bis nach Zürich. Dort soll Fritzli ihnen helfen, den sagenhaften Schatz vom Titicacasee zu bergen, mit dem sie einen schlimmen Schaden am heimischen Wohnhaus finanzieren wollen.

Der Film trifft die Balance zwischen der Subversivität der Buben, einer überdrehten Darstellung von Erwachsenen und einem durch pointiert eingesetzte erzählerische Mittel über alles gezogenen Firnis der Ironie. Im Grunde ist er Schelmengeschichte und Slapstickkomödie in einem und versteht es immer wieder, sich heimlich über die verklärte Schweizer Welt der 50er Jahre lustig zu machen. Dazu trägt auch der absolut unerwartete Soundtrack bei: U.a. singt Vico Torriani seinen Schlager „In der Schweiz“ von 1955 – und die HipHop-gewöhnten Kids im Kinosaal haben nicht protestiert!

In der Schweiz hat Mein Name ist Eugen seit 2005 einen regelrechten Hype ausgelöst (www.eugen-film.ch), entstand er doch nach dem Kinderbuchklassiker des Pfarrers Klaus Schädelin von 1955 - nach Heidi von Johanna Spyri das meistverkaufte Buch in der Schweiz. Der Stoff war vor der Veröffentlichung als Buch nur als Fortsetzungsserie fürs Pfadfinderheft (Pfadiheft) «Hallo» gedacht. Der Film gewann mehrere Preise, u.a. im März 2006 den “Grand prix de Montréal” durch die Kinderjury. - Auch die anwesenden Kinder gaben ihm Bestnoten mit ihrer gespannten Aufmerksamkeit. Sollte man sich merken, er kommt am 28. Dezember in die deutschen Kinos.



Zarter Schleier mit Realismus: Zaïna, die Pferdekönigin

Geht man davon aus, dass Kinder sich mit der Hauptperson noch direkter identifizieren als erwachsene Zuschauer, dann ist dieser Film eindeutig im Abenteuergenre angesiedelt. Die zwölfjährige Zaïna, die bisher in der Stadt lebte, muss nach dem Tod ihrer Mutter zum Stamm des Vaters zurück und geht auf eine anstrengende und gefährliche Reise quer durchs marokkanische Atlasgebirge.

Coming-of-age-Story, Roadmovie, Mädchen-Pferde-Erzählung, Familiendrama, Abenteuergeschichte, Märchen aus Tausendundeiner Nacht – Regisseur Bourlem Guerdjou nimmt sich etwas zu viel auf einmal vor, wodurch sein Werk Längen be-kommt und die Evidenz hier und da dünn wird. So entsteht kein Sprungtuch, das großer Fallhöhe standhält, doch wird ein zarter Schleier gewoben, durch den hindurch das Resümee der Protagonistin realistische Konturen erhält: „Ich gewinne das Recht, zu leben, wo ich will und mit wem ich will.“ Ein guter Schuss Gesellschaftskritik also an dem Land, in dem der Film spielt, und nicht nur an dieser Stelle. Das funktioniert sogar, und gleichzeitig bleibt Zaïna, die Pferdekönigin ein schöner Film für die ganze Familie, wild, unterhaltsam, wertvoll. Die Kinder im vollbesetzten Stadthauskino waren noch keine zwölf und haben mit ihrer Heldin, schön gespielt von Aziza Nadir, gespannt mitgezittert – sogar die Buben.

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