Dienstag, 20. Februar 2007

Muxmäuschenstill

Bei diesem Typ stellen sich einem selbst die feinen Härchen auf dem Unterarm auf, wenn er mit sanfter Stimme das Wort „helfen“ ausspricht. „Ich bin ein Teil der Gesellschaft, in der wir unsere Ideale verloren haben. Ich bin dafür da, dass die Menschen die Kraft wiederfinden, für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen.“ – Ich hatte vor zwei bis drei Jahren den Film „Muxmäuschenstill“ von Markus Mittermaier im Kino verpasst. Jetzt kam er im Fernsehen.

Die Hauptperson Mux arbeitet mit Denunziation und kanzelt einen Mitarbeiter ab, der das auch so nennt; Mux korrigiert zu „Information“ und nennt die Denunzianten, die ihn mit Hinweisen versorgen, „Informanten“. Er benutzt illegale Mittel wie Abhören und Filmen und setzt diese zur Erpressung ein usw. usf. Ohne den geringsten Skrupel, dagegen mit großer Geste und pädagogischer Verve.

Dabei redet Mux von positiven Werten: „Kraft wiederfinden“, „Verantwortung übernehmen“, „dass es Deutschland gut tut“. Keiner stellt sich ihm entgegen.

Sehr gutes Drehbuch, ausgezeichnete Dialoge, beängstigend authentische Schauspieler. Nicht, dass der Streifen keine Schwächen hätte. Aber, wie ein Rezensent schrieb: Er bringt einen zum Denken. Der Film hat zu Recht Furore gemacht.

Eine Komödie ist er übrigens nicht, auch wenn die Macher ihn so nennen; hier irren sie. Eher ist er eine Groteske, mindestens eine Parodie: Man setzt an zu lachen, doch dann bleibt es einem im Halse stecken.

Montag, 12. Februar 2007

Gewalt

Ulrich Greiner schrieb in der ZEIT vom 1. Februar einen interessanten Aufsatz über die Gewalt. Ohne im geringsten etwas zu verherrlichen, kommt er zu dem Schluss, „dass Gewalt das Normale und Gewaltverzicht das Außerordentliche ist“. Erstaunlich, dass das tröstlich wirkt. Angesichts der Exzesse aus neonazistischen Umtrieben, Sport, Straßenverkehr und sogar Schulhöfen fühlt man sich tatsächlich über den Kopf gestrichen und beruhigt: Alles schon mal dagewesen, längst noch nicht alles verloren.

Ich bin verwirrt, andererseits durchaus ein wenig angetan. Werden wir so mit dem Egoismus und der Gewalttätigkeit fertig, die in Deutschland immer präsenter zu werden scheint?

Montag, 5. Februar 2007

„Wir“ sind Weltmeister

Bin sonst kein Handball-Fan, aber bei Spitzenveranstaltungen reißt es einen schon mal, den Fernseher einzuschalten, zudem es ohne zeitliche Verbiegungen möglich war. Große Spannung in der zweiten Halbzeit nach dem erzwungenen Torwartwechsel, als die Polen bis auf ein Tor herankamen. Freude über den sportlichen Sieg mit den Gewinnern. Dann ein Stutzen: Warum herrschte der Eindruck vor, die „Professionalität“ beschränkte sich hier wirklich (und sehr wohltuend) auf das Sportliche? Kein komisches Gefühl wie beim Fußball, der Tour de France großen Radrennen oder anderen Sportevents, dass kommerzielle Ambitionen die sportlichen längst verdrängt haben.

In Mikrofone hinein, so mein Eindruck, gibt es sonst allzu oft Antworten von Sportlern und Funktionären als Manager ihrer selbst, die sich möglichst gut vermarkten wollen. Als Leute, die im Grunde nicht sagen, was sie denken, sondern Dinge, die eine Funktion im großen Spiel um Wahrheit und Schein haben, die etwas bewirken, etwas „verkaufen“ sollen.

Wer gestern vor der Kamera befragt wurde, antwortete als Person und als Mensch. „Angenehm“ ist dafür ein sehr schwaches Wort.

Sonntag, 4. Februar 2007

Gerechtigkeit

Es gibt ein neues Buch über die Geschichte der DDR aus einer unerwarteten Perspektive. Die Juristin Inga Markovits recherchierte kurz nach der Wende in ostdeutschen Gerichtsakten, hat ein Buch über den vorgefundenen Umgang mit der Gerechtigkeit geschrieben und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. „Gerechtigkeit in Lüritz. Eine ostdeutsche Rechtsgeschichte“, München 2006, 304 Seiten.

Samstag, 3. Februar 2007

Hoher Preis

Manche Menschen zahlen einen hohen Preis allein dafür, dass sie sich fortbilden, weiterentwickeln, verändern wollen. Die Umgebung – ein Clan, die Verwandtschaft oder einfach die Kollegen – gesteht es ihnen nicht zu und bestraft sie mit Ausstoßung. Ja, sowas gibt es auch noch heute, in Mitteleuropa, in Deutschland. Mitten in der Zivilisation. Wobei „Ausstoßung“ auch auf sehr, sehr subtile Weise praktiziert werden kann.

Freitag, 2. Februar 2007

Gesetze

Mit Gesetzen und Verordnungen können wir nicht alles regeln. Die Anti-Raucher-Kampagne der europäischen Gesetzgeber in allen Ehren; sie ist ja gut gemeint. Aber warum kann man Nichtrauchen nicht durch Anreize fördern statt das Rauchen per Dekret unter Strafe zu stellen? Gesetze sind oftmals bloße Augenwischerei und zahnlose Tiger. Sie geben aber skrupellosen Menschen und Geschäftemachern (außerdem unangenehmen Beamten, die ihre diffusen Machtlüste ausleben wollen) die Möglicheit an die Hand, aus rein formalen Gründen Gesetzesunkundige in Schwierigkeiten zu bringen, die arglos irgendetwas tun, was dem Buchstaben nach gegen das Gesetz verstößt. Siehe die Abmahn-Abzocke gegen Blogger, bei der das Gesetz ja nur scheinbar auf der Seite der Abmahner ist, die Probleme im jeweiligen Fall aber in der Regel erst einmal der Blogger am Hals hat.

Ein anderes Beispiel aus dem Alltag mancher deutschen Stadt: die Polizeiverordnung, das Halten von Hunden betreffend. Hundehalter, welche die Hinterlassenschaft ihres Tieres auf dem Trottoir nicht beseitigen, können Bußgelder aufgebrummt bekommen. Nötig ist es dazu jedoch, dass jemand die Gesetzeshüter so auf den Plan ruft, dass der säumige Tierkotliebhaber dingfest gemacht werden kann. Einen Tretminenhinterlasser an Ort und Stelle zur Rechenschaft ziehen zu wollen würde in der Praxis heißen: Ich sehe jemanden, dessen Hund gerade sein Geschäft macht und beobachte, dass das treudoofe Herrchen weitergeht, ohne den Haufen zu beseitigen. In meinem Handy müsste die Nummer der nächsten Polizeiwache eingespeichert sein, die ich blitzschnell anrufe. Eine Streife müsste dann innerhalb von Sekunden vor Ort sein, damit ich den Hundebesitzer, der gerade um die Ecke verschwindet, noch ausdeuten kann. Der Rest wäre dann Routine. – Ist das realistisch? Rhetorische Frage; es liegt auf der Hand, dass das so nicht funktioniert. Einzige Alternative: Ich kenne den Hundebesitzer persönlich und kann ihn namentlich der Polizei nennen. Das ist normalerweise nur bei Nachbarn der Fall. Die meisten werden ihre Nachbarn aber nicht bei der Polizei verpfeifen. Wie ist diese Polizeiverordnung also? Man könnte viele Adjektive auf sie reimen; die Eigenschaft „praktikabel“ oder „alltagstauglich“ ist nicht darunter.

Das Antidiskriminierungsgesetz ist eine ähnliche Falle. Ich gehe davon aus, dass die wenigsten Menschen, die tatsächlich Diskriminierung erfahren (zB Familien mit Kindern, die schwerer eine Mietwohnung finden als andere), von diesem Gesetz profitieren. Schon werden aber Fälle bekannt, in denen Menschen etwa Scheinbewerbungen schreiben und hinterher den Stellenausschreiber verklagen, sie seien diskriminiert worden. Beliebt: Die Bewerbung auf ein Inserat, in dem eine Sekretärin gesucht wird. Rein formal könnte jeder Mann, der über die geforderte Schulbildung verfügt, eine Bewerbung schreiben und nach der Ablehnung dem potentiellen Arbeitgeber erst einmal Ärger machen.

In Fachkreisen wird das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) als „lernendes Gesetz“ bezeichnet. Was bedeutet das anderes, als dass es bei Verabschiedung nicht ausgereift war? Es hat den Anschein, dass solche Gesetze Dummheit und Egoismus befördern (wenn nicht selber beinhalten) und dem Gemeinwohl schaden. Intelligente Regeln für das Zusammenleben in Städten und Quartieren, in Ländern und im gesamten Staat sehen anders aus.

Donnerstag, 1. Februar 2007

Eins, zwei, drei

"Einer der beiden trägt die Dritten."

(Wenn Werbung mir gefällt, dann ist es meistens wegen der Sprache. Hier ist Sprachwitz drin, das ist, verglichen mit dem Alltag, wie Situationskomik.)

Mittwoch, 31. Januar 2007

Mutig und alles andere als brav

Dani Levy an seine Kritiker:
„... den lächerlichen und bösartigen Apparat der Nazis zynisch auf die Schippe zu nehmen ... wäre mutlos und brav. Ich lese aus diesem Bedürfnis nach mehr Bösartigkeit den unbedingten Wunsch nach distanzierter Sicherheit.“

Habe am Montag Dani Levys „Mein Führer“ gesehen. Dem Film wird entgegengehalten, dass man über Hitler keine Komödie machen dürfe. Dieser Meinung kann ich nicht folgen. Man kommt dem Phänomen und ihren Wurzeln nicht auf die Spur, wenn Hitler nur als der große Dämon dargestellt wird. Ist er etwa aus der Hölle heraufgestiegen? Es war auch kein böser Alien aus dem All, der jene schrecklichen Taten verübte, sondern ein Mensch und viele Menschen in dem Apparat um ihn herum und sehr viele Menschen in diesem Land. Horribile dictu: Jawohl, es sind Menschen, die derart Furchtbares tun können.
Wollen wir Deutsche jeder auf seine Weise und mit seinen Mitteln verhindern, dass jemals wieder Vergleichbares durch uns geschieht, dann finde ich hilfreich, was eine alte Jüdin mir sagte, die mich bei einem Besuch in Israel als Gast in ihrem Kibbuz aufnahm: „Wehret den Anfängen!“
Mein Eindruck: Ein Film wie Dani Levys „Mein Führer“ kann helfen, den Anfängen zu wehren. Er ist ein guter Film mit einem guten Drehbuch, guter Regie, guten schauspielerischen Leistungen und einer guten Montage.
Was das Genre angeht: Obwohl ich den Film sehr ernsthaft anschaute, habe ich mehrere Male laut gelacht. Ist es nicht gerade der Humor, der hilft, ganz ernsthaft zu sein? Übrigens bedeutet meint das Wort „Witz“ dem Ursprung nach nicht einen oberflächlichen Scherz, sondern „Verstand, Klugheit“. Dani Levys Werk ist klug und in diesem Sinne voller Witz.
Schaut man andere Levy-Filme an und Interviews, die er zu „Mein Führer“ gab, bekommt man bestätigt: Der Mann ist nicht nur ein guter Filmemacher, sondern einfach ein kluger Mensch. Man lese auch seinen offenen Brief an die Kritiker des letzten Films. Ungewöhnlich! Aber auch damit punktet er. Es mutet schon komisch an, dass deutsche Kritiker einem deutschen Juden sagen wollen, wie man Hitler in einem Filmwerk richtig darzustellen habe.
Wäre dieser Film nicht gemacht worden, würde er fehlen in der Filmlandschaft generell und in der deutschen im Besonderen.

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